Gemeindereise ins Bergell 2015
Um es gleich zu sagen: Die Reise gehört in die Spitzenkategorie in allen Disziplinen: Organisation und Leitung, Landschaft, Inhalte, Gastfreundschaft und Kontakte, sogar das Wetter machte mit...
Gemeindereise ins Bergell 17. – 21. Juni 2015 - Auf den Spuren der Reformation
Um es gleich zu sagen: Die Reise gehört in die Spitzenkategorie in allen Disziplinen: Organisation und Leitung, Landschaft, Inhalte, Gastfreundschaft und Kontakte, sogar das Wetter machte mit. Und nicht zuletzt erlebten wir schöne, friedliche Gemeinschaft mit-einander und untereinander.
Roland Rast, ein Gemeindeglied und ehemaliger Kirchenpfleger, hat die Reise zusammen mit Pfarrer Berthold Haerter vorbereitet und organisiert. Signor Rolando war unsere No. 1!
Das Bergell zeigte sich von seiner schönsten Seite. Beim Wandern entdeckten wir Feuerlilien, Blaudistel, wilde Lupinen, in den Waldwiesen auch Türkenbund – Augenweide pur.
Die steilen Berge mit den wilden Felsformationen beeindruckten uns immer wieder aufs Neue. Die Maira mit ihrem klaren Wasser war unsere ständige Begleiterin. Wir überquerten sie oft auf malerischen alten Brücken, um in die Dörfer zu gelangen. In diesen stehen nicht nur die einfachen Häuser und Ställe, sondern auch die herrschaftlichen Palazzi der Auswanderer und Rückkehrer: Zuckerbäcker, Cafétiers usw. Schön sind die Steindächer, die alle Häuser decken.
Kultur und Spiritualität verbinden sich in den schlichten, Ruhe ausstrahlenden Kirchen. In San Giorgio, der reformierten Kirche von Borgonovo hielten wir die erste unserer täglichen Andachten. Wir betrachteten das Glasgemälde von Augusto Giacometti „Jesu Einzug in Jerusalem“, ein wunderschönes, in leuchtenden Farben gestaltetes halbrundes Bild in der Apsis der Kirche. Auf dem kleinen Friedhof ruhen einige Mitglieder der berühmten Malerfamilie Giovanni Giacometti. Im Palazzo Castelmur in Coltura erfuhren wir viel über die Reformationsgeschichte, bestaunten die luxuriöse Inneneinrichtung. In Bondo besuchten wir die Kirche San Martino mit der Abbildung einer Mandorla mit Christus Pantokrator, den meisten bekannt aus dem Buch „Der Wintergast“ von E. Binder.
Eine Führung in Castasegna durch die ehemalige Gemeinde-und Kirchgemeindepräsi-dentin gab uns einen Einblick in die Herausforderungen, die die Menschen in den Dör-fern in der heutigen Zeit meistern müssen. Die Förderung einheimischer Produkte, Verkehr, Schule, Tourismus sind einige der Themen.
Die Begegnung mit der Gemeindepräsidentin und der Kirchgemeindepräsidentin der Gemeinde Bergell, der Pfarrerin des Tales sowie zwei Kirchgemeindegliedern beein-druckten uns alle. Einige Infos über das politische kulturelle und kirchliche Leben (das Bergell erhält den diesjährigen Wakkerpreis, diese Woche findet die kantonale Kirchensynode im Bergell statt) gingen lebhaften Gesprächen mit unseren Gästen voraus. Es wurde ein spannender und langer Abend.
Die Andacht am nächsten Morgen hielten wir in der Kirche San Pietro ausserhalb von Stampa mit der Betrachtung eines frühen Bildes von Augusto Giacometti „am Morgen der Auferstehung“. Und dann machten wir uns an den Aufstieg nach Soglio über den alten Saumpfad, der mit mächtigen Granitplatten ausgelegt ist. Bei einer Verschnaufpause genossen wir einen eindrücklichen Ausblick auf Nossa Donna, der reformierten Kirche auf dem felsigen Talriegel, der das Tal in Sopraporta und Sottoporta teilt. Oben in Soglio, beim Palazzo der Familie von Salis, trafen wir Herrn Brügger, der uns durch das malerische Dorf führte und uns dabei viel Interessantes über Bauweisen, Lebensart und Geschichte erzählte. In der Kirche San Lorenzo durften wir etwas ausruhen und hörten eine Lesung zu Giovanni Segantini, der einige Male in Soglio weilte.
Der Besuch des Talmuseums Ciäsa Grande in Stampa rundete diesen Tag ab.
Eine Ueberraschung bescherte uns der nächste Morgen: Vor dem Besuch des Palazzo Vertemate Franchi in Piuro (Italien) durften wir in der reich verzierten Kapelle des Pa-lazzo unsere Andacht halten. Heute waren verschiedene Heilige und die Himmelskönigin mit dabei. Welch ein Unterschied zu den schlichten, weissen Kirchen mit ihren einfachen Holzbänken im reformierten Teil des Bergells!
Der Palazzo Vertemate ist das einzige Gebäude, das vom Bergsturz 1618, der ganz Piuro (Plurs) und viele Menschen verschüttete, übrigblieb. Bei der Führung durch die Räume und Gänge gingen einem fast die Augen über vor lauter Pracht.
Beim Mittagessen im Grotto direkt an der Mera erlebten wir inmitten eines Familienfes-tes und Motorradgruppen den Sound italienischer Lebensart. Auf dem anschliessenden Spaziergang nach Chiavenna konnten wir uns etwas erholen. Und sahen beim Besuch der St. Lorenzkirche gleich den Gegenpart zur lauten Italianità – ein Totenzug. Der Priester mit Kreuz voraus, 4 schwarzgekleidete Sargträger, der Sarg geschmückt mit Blumen, dahinter die Trauergemeinde zogen langsam in die Kirche ein.
Wir bestaunten in der Taufkapelle das riesige Taufbecken aus dem Jahr 1156, das aus einem einzigen Steinblock gehauen wurde.
Im Schatzmuseum nebenan gibt es die Pace di Chiavenna zu bewundern, ein Evangeliareinband. Dieser ist ein Meisterstück mittelalterlicher Goldschmiedekunst mit Edelsteinen und Miniaturen verziert aus dem 12. Jahrhundert. Unglaublich reich gestickte und verzierte Messgewänder samt kostbarem Messezubehör sahen wir – es waren zwiespältige Gefühle, die der Anblick in mir weckte...
Das Thema der Hexenverfolgung, die auch im Bergell stattfand, gehörte zum Schwierigeren, mit dem wir konfrontiert wurden. Die sehr anschauliche Schilderung der Foltermethoden, die Demonstration der rohen Werkzeuge, der Besuch in der Folterkammer und im Gefängnis ging uns echt „an die Nieren“.
Der Sonntagmorgengottesdienst in der reformierten Kirche San Cassian in Vicosprano mit den Gedenktafeln der ersten Reformatoren rundete unsere Tage im Bergell ab. Das schöne Italienisch der Pfarrerin, die Oberriedner-Kerze auf dem Taufstein und die Lesung durch Berthold Haerter, die Lieder in Deutsch oder Italienisch und das Orgelspiel des jungen Organisten waren ein vertrauter und stimmiger „Proviant“ für den Heimweg.
Den leiblichen Proviant bekamen wir von Aldo Petti, unserem Gastgeber im Hotel Corona in Vicosoprano. Jeden Abend hat er uns mit seinem Team verwöhnt mit einem feinen 4-Gang-Menu.
Am Morgen bediente er selbst uns beim Frühstück, bei dem wir uns von ca. 15 verschiedenen selbstgemachten Confis bedienen konnten. Ihm und seiner Frau Silvana haben wir die kulinarische Seite dieser wunderschönen Tage zu verdanken.
Mein Dank für diese reichen Tage ist gross!
Esther Kummer